Kartoffel als Slangbezeichnung für Deutsche oder Preußen im besonderen im interkulturellen Zusammenhang. Sie wird beleidigend, aber auch humorvoll oder als Selbstbezeichnung verwendet.

Hier wird der Begriff Kartoffeldruck für den Beschluss der Potsdamer Stadtverordnetenversammlungs von 1990 zur Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss verwendet, der noch heute die Verhinderung jeglicher sinnvoller Stadtentwicklung legitimiert und Potsdams Mitte auch im Jahr 2020, weiterhin neu gebaute preussische Architekturen beschert.

Eine 5teilige Serie von großformatigen Kartoffeldrucken auf Lacktischdecken mit Motiven verschwundener und noch zu entsorgender Gebäude in Glanz-, Gloria- und Goldlack möchte helfen den 30 Jahre alten demokratischen Beschluss behutsam weiter zu Entwickeln.

Zu sehen noch bis zum 22. November 2020 im Kunstraum Potsdam @ Waschhaus, Schiffbauergasse, 14467 Potsdam, im Rahmen der Ausstellung „IHR“.

Datenverarbeitungszentrum, 140 x 100 cm, 2020

Interhotel Potsdam, 100 x 140 cm, 2020

Staudenhof, 140 x 100 cm, 2020

Haus des Reisens, 100 x 100 cm, 2020

Institut für Lehrerbildung, 200 x 100 cm, 2020

Potsdamer Neueste Nachrichten, 2.10.2020

Ein trotziges Ihr gegen das Wir im Potsdamer Stadtraum

Beinahe trotzig liest sich der Titel, den Mike Gessner, Kurator des Kunstraums Potsdam, seiner Anti-Einheits-Schau gegeben hat: „Ihr. Sentimentalitäten in Deutschland“. „Von Wir ist da draußen überall im Stadtraum schon genug die Rede“, sagt Gessner. Dagegen geht es ihm um den Blick aus der Distanz. Auf das, was Deutschland war, was es heute ist. Künstler aus Ost und West sind dabei, natürlich, wobei die Herkunft eine untergeordnete Rolle spielt, wie Gessner sagt: Der Jüngste, Nicholas Warburg, wurde erste einige Jahre nach dem Fall der Mauer geboren.

Dennoch: Natürlich spielt auch die Biografie der Künstlerinnen und Künstler in den Werken eine Rolle, in einigen sogar eine große. Von dem Berliner Fotograf Ludwig Rauch, der Anfang 1989 noch nach Westberlin übersiedelte, sind zwei Fotografien aus der Zeit um 1990 zu sehen. Es sind die einzigen Arbeiten älteren Datums. Darunter ein Foto, das wie ein Sinnbild für die damalige Zeit wirkt: Ein Trabi steht vor der Brandmauer eines hohen Altbaus, winzig klein. In riesigen weißen Buchstaben, von Rauch selbst in halsbrecherischer Aktion aufgemalt, steht auf der Wand darüber: „Der Starke zweifelt hinterher“.

Geist des klugen Zweifelns

Im Geist des klugen Zweifelns scheint auch die Videoarbeit des Potsdamer Künstlers Jörg Schlinke entstanden: Ein Käfer liegt auf dem Rücken, streckt die Beine in die Höhe. Er liegt auf einem Spiegel. Zwei Käfer liegen also dort, Rücken an Rücken, im Versuch, zueinander zu kommen – eine Einheit zu bilden. Aber warum eigentlich?, fragt Schlinke. Könnte man nicht einfach akzeptieren, dass manche Dinge viele Teile haben – ohne freilich von einer Mauer getrennt zu sein? Deutschland zum Beispiel. Der Käfer jedenfalls strampelt vergebens.

Tragikomisch auch die Arbeit von Andrea Pichl mit dem schlichten Titel „Ach.“ Eine Installation aus Gartenzaunelementen, die Ostsozialisierten bekannt vorkommen dürften, Spuren des Heimwerkens, Aufhübschens von gebrauchtem Material inklusive. Macht ein solches Aha-Erlebnis aber schon Heimat aus?, fragt sie. Was macht das kollektive Gedächtnis mit einem? Verdrängte Elemente dieses Gedächtnisses hat sie auf der Wand daneben festgehalten: mit Buntstift nachkolorierte Details aus der Stasihauptzentrale, die sie 2018 besuchte.

Mielkes Frühstückseier und Honeckers Tränen

Zu sehen sind: Gardinen, Zimmerpflanzen, Lampenschirme. Und eine Karteikarte, auf der Stasi-Chef Erich Mielke Anordnung zum gewünschten Frühstück gibt: „2 Eier, 4 1/2 Minuten kochen, vorher anpicken.“ DDR-Geschichte als Lach- und Sachgeschichtchen? Die Arbeiten von Andrea Pichl sind mehr; das echte Wasser-Tränen verspritzende Erich-Honecker-Porträt des gebürtigen Dresdners Via Lewandowsky will gar nicht mehr sein.

Der Kölner Künstler Tom Korn bezieht mit einer für den Kunstraum entstandenen Serie schließlich deutlich Position: Ansichten von Potsdamer Ostmoderne in Form von Kartoffeldrucken auf bunten Wachstuchdecken. Die 2018 abgerissene Fachhochschule auf Uhren-Design, das Mercure-Hotel auf kleinkariertem Blau-Weiß. Der Titel: „Kartoffeldruck“. Ja, mit Kartoffeln wurde hier gearbeitet. Aber Kartoffeln sind, Tom Korn zufolge, auch jene, die diese Gebäude und ihre Geschichte endgültig aus dem Potsdamer Stadtbild verschwinden lassen wollen.